„Prägt euch die Gletscher ein, werft nochmal einen Blick drauf“

Am vergangenen Donnerstagabend brachte die Veranstaltungsreihe „Menschen in Europa“ mit „Felix Neureuther: Die Alpen – ein Juwel“ nicht nur prominente Gäste, sondern auch eine hochaktuelle Thematik aufs Podium: Wie kann das sensible Ökosystem der Alpen geschützt werden?

Wandern, Skifahren, Natur genießen und Erholung suchen. Viele Menschen zieht es dafür in die Berge – ein Ort, der durch Sport und Freude am „Erlebnis Natur“ verbindet.  In seinem Grußwort zur Podiumsdiskussion mit dem Thema „Die Alpen – ein Juwel“ betonte Martin Wanninger, Chefredakteur der Mediengruppe Bayern, die Funktion der Alpen als „geographisches Verbindungsband“ zwischen den acht Ländern, durch die sich dieses so „unerschütterlich“ wirkende „steinerne Band“ zieht. Doch die Auswirkungen des Klimawandels und der Massentourismus, befeuert durch sogenannte „Hotspots“, fordern dieses sensible, schützenswerte Ökosystem zunehmend heraus.

Bei der Veranstaltung „Felix Neureuther: Die Alpen ein Juwel“ kombinierte der Programmablauf gleich mehrere interessante Perspektiven auf die Alpen. Podiumsgast Felix Neureuther, als ehemaliger Ski-Weltcupsieger, blickt auf eine erfolgreiche Karriere im Wintersport zurück. Vor der eigentlichen Podiumsdiskussion über den Schutz der Alpen mit weiteren hochkarätigen Gästen, kam er darüber mit BR-Moderator Tilmann Schöberl ins Gespräch.

„Man hat gelernt unter Druck zu funktionieren.“ Der Profisport sei für Neureuther eine „Schule fürs Leben“ gewesen: Verletzungen, eine extreme Erwartungshaltung und die Präsenz in der Öffentlichkeit haben ihn geprägt. Und doch betonte er: „Ich durfte meinen Traum leben – und das schon als Kind“, so Neureuther, der sich nach seiner Skikarriere als Buchautor, Motivationsredner und als TV-Experte für ARD und BR engagiert. Der Übertritt vom Leistungssport in das normale Leben sei für ihn nicht einfach gewesen. „Ich habe neue Dinge gelernt und mir neue Ziele im Leben gesetzt.“ So ist Felix Neureuther 2025 als UN-Botschafter für saubere Berge und Gletscher aktiv. Im Gespräch mit Tilmann Schöberl gab er dennoch zu bedenken: „Die Alpen werden die Menschen immer anziehen.“ Außerdem biete der Alpenraum Arbeitsplätze im Tourismus, sei also ein Business, von dem Menschen leben. Als Vater von vier Kindern sei es ihm außerdem wichtig, die jungen Menschen zu bilden und eine emotionale Bindung zwischen ihnen und der Natur herzustellen.

„Der Skisport ist mit fast keinem Geld zu bezahlen.“

Welche Rolle spielt nun aber das Skifahren für den Klimawandel und somit auch im Thema Schutz der Alpen? Für Felix Neureuther steht fest: „Der Skisport selbst ist nicht schuld am Klimawandel.“ Bezüglich Pistenpräparationen und im Liftbetrieb passiere schon viel. „Der Skisport verbindet Jung und Alt. Wenn ich mit meiner Familie skifahre, stehen drei Generationen auf der Piste“ – für Neureuther ein „einzigartiges Erlebnis“, das mit fast keinem Geld zu bezahlen sei.

Wie kann also ein solches Juwel, ein „Kraft- und Ruheort“, das „Erlebnis Natur“ geschützt werden und wie verändert der Klimawandel den Bergtourismus? Diesen Fragen widmete sich die anschließende Podiumsdiskussion mit Gästen, die mit den Alpen auf ganz unterschiedliche Weise tief verbunden sind. Journalist und Autor Michael Ruhland, der bis 2024 als Chefredakteur des Magazins „Bergsteiger“ wirkte, hat dieses Jahr zusammen mit Christian und Felix Neureuther sowie Fotograf Bernd Ritschel das Buch „Das Wasser der Alpen“ veröffentlicht – eine Reise und Geschichte für sich, in die Neureuther und Ritschel das Publikum mit einem Multivisionsvortrag an diesem Abend noch einführen werden. Als Präsident des Deutschen Alpenvereins e.V. ist Roland Stierle, seit 1970 im Verein aktiv, mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Gletscher, Fels und Hütteninfrastruktur vertraut.

Podiumsdiskussion mit (v. l.) Michael Ruhland, Felix Neureuther, Moderator Tilmann Schöberl und Roland Stierle.

Zu Beginn der Podiumsdiskussion stellte Moderator Tilmann Schöberl folgende Frage: „Ist der Erfolg der Alpen ein Fluch?“ Laut Roland Stierle werden Hotspots, wie dem Schrecksee überrannt, während in anderen Gebieten, wie beispielsweise dem Tessin, kaum Menschen unterwegs sind. „Der Zustrom, der Individualismus durch das Auto“ habe den Bergtourismus verändert. Michael Ruhland wies im Hinblick auf den Klimawandel nicht nur auf den Schutz der Alpen an sich hin, sondern auch auf den der 14 Millionen Menschen, die dort leben: „Die Berge werden instabiler.“ Durch den Temperaturanstieg komme es zu Felsstürzen. „Auch die Täler müssen geschützt werden“, so Ruhland.

„Wir werden anders in die Berge gehen.“

Durch den Klimawandel und das Abschmelzen der Gletscher werde sich laut Roland Stierle auch das Bergsteigen an sich verändern: „Wir werden kaum noch Steigeisen brauchen.“ Beim Thema Bergtourismus spielt auch das Hüttenleben eine maßgebliche Rolle. Stierle betonte dabei vor allem die Einfachheit der Hütten, die aufgrund des Klimawandels in den nächsten Jahren forciert werden müsse: „Zehnseitige Speisenkarte“, „Toilettenspülung und Dusche“ – all das werde es in Zukunft auf den Hütten nicht mehr geben.

Die Gäste der Podiumsdiskussion begreifen diese Entwicklung, die man negativ als „Schritt zurück“ betiteln könnte, dennoch als Chance: „Dankbarkeit, Entschleunigung und Demut“ sind für Felix Neureuther entscheidend. Michael Ruhland empfindet durch den „Rückschritt“ ein „Mehr an Erlebnis“ und wies auf den ursprünglichen Schutzzweck der Hütten hin, der nicht in Vergessenheit geraten sollte.

„Ich konnte meiner ersten großen Liebe – dem Schnee, den Gletschern – beim Sterben zusehen.“

Dass mit dem Klimawandel, der die Gletscher in den Bergen abschmelzen lässt, auch neues Leben, neue Schönheit entstehen kann, zeigten Felix Neureuther und Fotograf Bernd Ritschel nach der Podiumsdiskussion mit starken Bildern. Für das Buch „Das Wasser der Alpen“, mit Fotografien von Bernd Ritschel, gemeinsam veröffentlich von Michael Ruhland, Christian und Felix Neureuther, haben sie sich auf eine ganz besondere Reise durch die Alpen gemacht – und dabei beeindruckende Momente eingefangen. Dort wo einst Gletscher den Berg geprägt haben, wachsen nun Blumen und es entstehen eine Vielzahl von neuen Bergseen, die noch keine Namen tragen. „Lange war das Wasser nur Kulisse, der eigentliche Wert wurde nicht wahrgenommen“, so Ritschel, der die Bedeutsamkeit des Wassers für unser Leben mit eindrucksvollen Aufnahmen begreifbar macht.

Felix Neureuther und Fotograf Bernd Ritschel präsentierten mit ihrem Multimediavortrag beeindruckende Impressionen von ihrer Reise durch die Alpen.

Felix Neureuther bezeichnete den Schnee, die Gletscher, als seine erste große Liebe. Orte, auf die man laut ihm nochmals einen Blick werfen sollte – und machte mit einem Appell zum Ende der Veranstaltung nochmals klar, wie schützenswert unsere Umwelt und damit auch das Ökosystem der Alpen ist: „Ohne Wasser kein Leben. Genießt die Berge und hinterlasst sie so, wie ihr sie vorgefunden habt.“