„Die Drogenpolitik muss erneuert werden. Wir wollen den Cannabis-Konsum unter Gesundheitsaspekten reformieren.“ Mit diesen Worten hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Bundespressekonferenz am 26. Oktober das Eckpunktepapier der Bundesregierung vorgestellt. Diese hat darin Faktoren zum kontrollierten Verkauf von Cannabis beschlossen. Sie möchte damit zu einem verbesserten Jugend- und Gesundheitsschutz für Konsument:innen beitragen. Gleichzeitig will die Bundesregierung so den Schwarzmarkt eindämmen. Lauterbach sagte weiter, dass die Verantwortlichen nun in einer Phase seien, in der sie prüfen, ob die im Eckpunktepapier geschaffene Grundlage auch international tragfähig ist. Daher liegen diese Punkte der Europäischen Kommission zur Prüfung mit dem geltenden Völker- und Europarecht vor.
Die wichtigsten geplanten Regelungen zur Cannabis-Legalisierung sind laut dem Bundesministerium für Gesundheit:
- Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) werden künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft.
- Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen.
- Der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genuss-Cannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum werden straffrei ermöglicht.
- Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt.
- Laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen sollen beendet werden.
- Der Vertrieb darf mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und ggf. Apotheken erfolgen.
- Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt.
- Es werden Vorgaben festgelegt, um die Qualität und Reinheit sicherzustellen.
- Als Mindestaltersgrenze für Verkauf und Erwerb wird die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt (ggf. mit einer Obergrenze für den THC-Gehalt bis zum 21. Lebensjahr).
- Es ist die Einführung einer besonderen Verbrauchsteuer („Cannabissteuer“) vorgesehen.
- Die cannabisbezogene Aufklärungs- und Präventionsarbeit sowie zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote werden weiterentwickelt
Die Meinungen der Menschen in Deutschland gehen dabei weit auseinander. Doch was denken eigentlich die Passauerinnen und Passauer zur geplanten Legalisierung? Im Gespräch mit spaetschicht.tv NEWS ließen uns ein paar Menschen an ihren Gedanken teilhaben.
Erica Haas, Dozentin für Englisch-Sprachkurse an der Universität Passau:
“Ich bin für reguliertes, besteuertes, legales Cannabis. Der US-Bundesstaat Oklahoma hat vor einigen Jahren medizinisches Marihuana legalisiert, wobei vereinbart wurde, dass der größte Teil der Steuereinnahmen in die Verbesserung des staatlichen Bildungssystems fließen sollte. Die erste Auszahlung der Steuereinnahmen an das Bildungssystem erfolgte Anfang dieses Jahres – 38,5 Millionen Dollar. In Nevada ist der Verkauf von Marihuana für Freizeitzwecke und für medizinische Zwecke legal. Allein im Steuerjahr 2022 wurden fast 1 Milliarde Dollar mit Marihuana umgesetzt. Denken Sie daran, wie viel Geld möglicherweise für die Bildung in Deutschland ausgegeben werden könnte, oder um das Leben der Deutschen auf andere Weise zu verbessern!”
Anna Gordyaeva, Studentin im Master für Text- und Kultursemiotik:
“Die Leute, die aus bösen Gründen an Cannabis kommen wollen, würden sowieso einen Weg finden, ob legal oder illegal. Mit der Legalisierung wird zumindest der Zugang für die Menschen erleichtert, die das aus gesundheitlichen Gründen brauchen. Außerdem kann die Kontrolle von Verkäufen, die Verfolgung von Qualität und statistische Daten besser erfolgen, wenn das alles auf offizieller Basis läuft.”
Olha Norenko, Studentin für European Studies Major:
“Erstens sind die Frontallappen junger Menschen noch nicht vollständig ausgebildet und Cannabis wird sich negativ auf ihre Entwicklung auswirken. Zweitens wird die Konzentration bei der Verwendung dieses Krauts gestört. Drittens können viele Menschen süchtig werden. Wenn es aber um medizinische Zwecke geht, bin ich dafür, denn Cannabis hilft, Schmerzen bei schweren Krankheiten zu lindern.”
Dr. Thorsten Benkel, Dozent für Soziologie an der Uni Passau:
“Es hat an sich wahrscheinlich keinen Vorzug, gesellschaftlich gesehen. Die Leute, die Cannabis konsumieren wollen, tun das schließlich jetzt schon. Allerdings ist die Rechtslage in Bayern nochmal etwas schwieriger als zum Beispiel in Berlin. Dort stehen Leute mit dem Joint auf der Straße, die Polizei kommt und sagt kein Wort, weil es dort eine Eigenbedarfsregelung gibt. In Bayern läuft das nicht so. Also kann man sagen, dass da ja eine Art Gerechtigkeitslücke existiert, und die Legalisierung schließt diese Lücke.
Mein Hauptargument für die Legalisierung ist aber ein anderes. Ich denke da an Menschen, die so etwas wie Freeclimbing machen. Menschen, die also in den Bergen herumklettern ohne Schutz. Diese Menschen riskieren ihr Leben und nahezu jeder ist der Meinung, dass es ihre persönliche Entscheidung ist, das Risiko des Fallens auf sich zu nehmen. Warum sollte das nicht also auch für Cannabis gelten? Es sind doch die gleichen Regeln. Mein Körper gehört mir, da könnte was schief gehen, aber es ist das Risiko, das ich eingehe als erwachsener Mensch.
Es gibt die These, dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist. Das sehe ich anders. Ich habe ein Forschungsprojekt geleitet zum Drogenkonsum im Frankfurter Bahnhofsviertel, und diese Menschen, richtige Hardcore-Junkies, haben alle mit dem Kiffen angefangen. Ich glaube, Menschen, die harte Drogen nehmen und noch nie gekifft haben, findet man nicht. Und ich kenne sie auch aus der Literatur nicht. Menschen aus der Drogenberatung werden Ihnen das vermutlich bestätigen können. Umgekehrt wird nicht jeder, der kifft, zum Junkie. So oder so, das ist die menschliche Natur. Wir tun Dinge, von denen wir nicht abschätzen können, was sie mit uns machen. Sollten wir etwa eine Sache verbieten, nur weil sie eventuell gefährlich werden könnte?”
Das Bundeskabinett hat dem Eckpunktepapier bereits zugestimmt. Demnach kann jeder Volljährige ab 2024 legal Cannabis erwerben und konsumieren, solange die Europäische Kommission dem deutschen Vorschlag zustimmt. Man wird sehen, wie sich die Drogenpolitik in den nächsten Jahren entwickeln wird.