Kartoffelbrei auf einem Monet-Gemälde, mit orangener Farbe beschmierte Regierungsgebäude und schließlich die Provokation eines Staus durch Festkleben auf der Straße. Jeden Tag hören wir von neuen Protesten der Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“. Mit ihren Aktionen wollen sie Aufmerksamkeit erregen und die Bevölkerung und die Politik zum Umdenken bewegen. Doch ist das der richtige Weg, vor allem, wenn dabei das Leben anderer Menschen aufs Spiel gesetzt wird?
Am Montag, dem 31. Oktober, hat sich in Berlin-Wilmersdorf ein Unfall ereignet, bei dem eine Radfahrerin unter einen Betonmischer geraten und an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben ist. Ungeklärt ist aktuell, inwieweit die Aktivist:innen mit ihrer Aktion das Eintreffen der Rettungsfahrzeuge verzögert haben. Während die Ermittlungen dazu noch laufen, äußern sich Sprecher:innen der Gruppe und kündigen weiterhin Straßenblockaden und Proteste an. Es stellt sich nun die Frage, wie weit die Proteste gehen dürfen. Wo ist die Grenze erreicht? Und wie viel können die Aktivist:innen mit ihren Aktionen tatsächlich bewegen? Denn aktuell diskutieren die Politiker:innen und die Öffentlichkeit viel mehr über die Äußerung der unterschiedlichen Protestformen anstatt über das eigentliche Thema, auf das die Aktivist:innen aufmerksam machen möchten. Festzuhalten bleibt auch, dass die Handlungsfähigkeit der Einsatzkräfte in der Hauptstadt durch die andauernden Blockaden weiterhin gestört wird – unabhängig davon, ob die Festgeklebten nachweislich eine Mitschuld am Tod der Radfahrerin haben.
Die „Letzte Generation“ ist jedoch nicht die einzige Gruppe, die versucht, auf das Thema Klimawandel aufmerksam zu machen. In München haben sich in der vergangenen Woche Anhänger der „Scientist Rebellion“ mit ihren Kolleg:innen aus Berlin solidarisiert. Sie haben sich am Odeonsplatz festgeklebt und ebenfalls Straßenblockaden und Konfrontationen mit der Polizei provoziert. Am vergangenen Donnerstag haben die Aktivist:innen damit den Feierabendverkehr am Münchner Stachus lahmgelegt.
Die Passauer Ortsgruppe von „Fridays for Future” solidarisiert sich ebenfalls mit der “Letzten Generation”. Sie unterstützt den Protest in Form des zivilen Ungehorsams und steht “im Großen und Ganzen zu den Aktionen der Letzten Generation”, wie sie spaetschicht.tv auf Anfrage mitteilt. Jedoch sind die Passauer Fridays-for-Future-Mitglieder der Meinung, dass die Diskussion um die Protestformen den Fokus „von der notwendigen Bekämpfung der Klimakrise und ihres Verursachers der fossilen Industrie” ablenkt. Deswegen erachten sie „klassische Demonstrationen und Aktionen” als weitere Perspektive für die Klimabewegung für geeigneter.
Die Aktionen der verschiedenen Gruppen polarisieren. Auf Twitter werden sie von manchen in Schutz genommen, von anderen wiederum verurteilt und als „Mörder“ oder „Terroristen“ beschimpft. Laut den Aktivist:innen sei die Berichterstattung Hetze und Verbreitung von Unwahrheiten gegen sie. Ein Grund, weshalb sie beständig neue Gegenaktionen starten und nicht aufgeben.
Auch Klimaforscher wie Mojib Latif distanzieren sich zunehmend von den Protesten. Im ZDF hat er gesagt: „Es hört da auf, wo entweder Gegenstände und vor allem auch Menschen gefährdet werden. Und bei den Aktionen, die wir in den letzten Wochen gesehen haben, war das tatsächlich der Fall. Und deswegen muss ich ganz ehrlich sagen, ist das für mich ein No-Go. Und am Ende des Tages bringt es die Klimaforschung im Speziellen und die Wissenschaft sogar insgesamt in Verruf, weil nachher wird dann nicht mehr differenziert, wer tut eigentlich was. Und dann wird nachher die Klimaforschung und die Wissenschaft in Sippenhaft genommen. Dann haben wir genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich erreichen will.“
Zur Diskussion steht weiterhin, welche Umgangsform mit den Aktivist:innen nun angebracht ist. Wie viel Aufmerksamkeit verdienen sie und wie viel Positionierung oder Verurteilung darf die Berichterstattung enthalten?
Festzuhalten bleibt, dass die Aktionen und Protestformen die Debatte immer wieder anheizen und nicht abflachen lassen. Es bleibt abzuwarten, welche rechtlichen Konsequenzen gezogen werden und wie in Zukunft damit umgegangen werden soll.
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