Wer hat schon einmal in den Spiegel geschaut und sich gefragt, ob dieses oder jenes Symptom nicht doch auf eine mysteriöse Krankheit hindeutet? In Molières Theaterstück „Der eingebildete Kranke“ wundert sich der Zuschauer zu Beginn: Ist der kranke Mann eingebildet oder bildet er sich ein, krank zu sein? Oder trifft sogar beides auf die Hauptfigur dieses Stückes zu? Ist es Hypochondrie, eine Form der Selbstinszenierung oder doch eine unheilbare Gesundheit?
In dieser Komödie, die die Theatergruppe act! am 06., 08., 09. und 10. Februar im ITZ der Uni Passau aufführte, dreht sich die Geschichte um den wohlhabenden Argan (Calixt von Hochberg). Er ist so davon überzeugt, unheilbar krank zu sein, dass er ständig Ärzte und Apotheker um sich hat und enorme Summen für Medikamente ausgibt.
Argans Tochter Angélique (Franziska Schwarz) ist in Cléante (Daniel Sloboshanin) verliebt. Ihr Vater plant allerdings, sie mit dem jungen Arzt Thomas Diafoirus (Aaron Prott) zu verheiraten, um seine eigenen medizinischen Kosten zu senken. Argans zweite Frau Béline (Alica Kippel) unterstützt seine seltsamen Überzeugungen, da sie nur an dessen Vermögen interessiert ist und selbst eine Affäre mit Thomas Vater (Phil Albrecht) zu haben scheint.
Die Handlung entwickelt sich durch Täuschungen und schrägen Charakteren zu einer Satire auf die moderne Medizin und sozialen Normen des 17. Jahrhunderts. Zu guter Letzt wird Argan durch eine List seiner Schwester Bernadette (Franka Bendixen), seines Hausmädchens Toinette (Laura Glöggler) und seiner Tochter Louise (Lina Röcker) dazu gebracht, seine Einstellung zur Gesundheit zu überdenken und durch ein, von den Dreien erfundenes, Ritual selbst Arzt zu werden.
Als ob die Komödie nicht schon an sich humorvoll genug wäre, setzen die talentierten Schauspieler der Theatergruppe act! dem Ganzen die Krone auf. Wer sich eine Woche zuvor bei Phil Albrechts Darstellung des verrückten Hutmachers in „Alice im Wunderland“ (JuT) schon nicht mehr halten konnte, hat ihn noch nicht als Dr. Diafoirus erlebt. Gemeinsam mit Aaron Prott als Sohn Thomas waren die beiden ein unschlagbares Comedy-Duo. Auch Alica Kippel, die im Wunderland bereits als böse Herzkönigin überzeugen konnte, begeisterte erneut mit der Rolle der hinterlistigen Stiefmutter Béline.
Besonders hervorzuheben sind definitiv Calixt von Hochberg und Laura Glöggler als Argan und Toinette. Deren Zusammenspiel als Hausherr und sarkastisches Dienstmädchen hat wunderbar zueinander gepasst. Die beiden Schauspieler haben nicht nur ihre Charaktere mit Leben gefüllt, sondern auch eine fesselnde Dynamik auf die Bühne gebracht.
Die Regie, bestehend aus Alice von Hoyos und Alica Kippel, hat wirklich einen fantastischen Job mit dem Casting gemacht und das ganze Stück sehr gut geleitet. An manchen Momenten fragt man sich nicht zuletzt, wie man auf so eine herrlich schräge Inszenierung kommt. Beispielsweise spielt der völlig gefühlskalte Notar Bonnefoy (Olli Hert) neben dem emotionslosen Text gleichzeitig mit zwei Spielzeugautos. Auch begleitet Olli später, ohne eine Miene zu verziehen, die Rollen Angélique und Cléante auf dem Klavier, während die beiden eine grauenhaft schiefe, aber zum Totlachen komische „Stehgreifoper“ aufführen.
Regisseurin Alice sagte dazu, dass sie herausstellen wollten, dass sich die Ärzte und Apotheker im Stück stark über Argan lustig machen. Deshalb benutzen die Mediziner auch nur Kinder-Arztspielzeug, um ihren sehr kranken Patienten zu untersuchen.
Besonders spannend war die Änderung Molieres Originalmaterials von Argans Bruder Béralde auf eine Schwester Bernadette. Gemeinsam mit dem Dienstmädchen Toinette und der Ehefrau Béline konnten die Zuschauer dadurch wirklich intelligente Frauencharaktere auf der Bühne erleben, die somit im starken Kontrast zu den männlichen Figuren im Stück standen.
Die Dynamik zwischen den Darstellern hat die absurd-lustige Atmosphäre des Stücks perfekt eingefangen und dem Publikum einen unvergesslichen Abend voller Lachen beschert. Zu gern hätte man noch in dem von Bernadette angepriesenen Ende gesehen, wie Argan von, als Ärzte verkleideten, Schauspielern in einem heilig-ausgedachten Ritual selbst zum Mediziner wird. Diese Szene wurde von der Theatergruppe act! geschickt offengelassen, sodass der Zuschauer selbst kreativ werden konnte, was genau passieren wird. Genauso gespannt wie auf das Ende dieses Stückes sind nun auch schon alle darauf, was die Hochschulgruppe nächstes Semester auf die Beine stellen wird.